Autorin: Claudia Plaum
Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Januar 2024 im Komm mit!
Leicht gekürzte und geänderte Fassung.
Abstimmung in gemeinsame Ratssitzung
Es war eine Premiere, als sich erstmalig (!) neun Stadt- und Gemeinderatsgremien in der Marktleuthener Stadthalle zur Abstimmung des gemeinsam beauftragten Integrierten Digitalen Entwicklungskonzeptes (IDEK) zusammenfanden. Marktleuthens Bürgermeisterin Sabrina Kaestner begrüßte die Räte und Gäste, Fabian Höhne (Bebietsleiter Bayern, DSK) führte durch den Abend.
Imke Mumm, Baudirektorin Städtebauförderung des Bayrischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr (www.staedtebaufoerderung.info) war tatsächlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus München angereist. Sie erklärte das IDEK und betonte „Am Anfang war das Ganze ein Bild ohne Farbe, das ist jetzt anders!“. Das Planungsteam um Prof. Dr. Martin Berchtold und Dr. Markus Kaltenbach (berchtoldkrass) stellten die Ergebnisse des Prozesses vor.
Werner Bergmann aus Kirchenlamitz war der Gewinner des Gewinnspieles, zu dem im Laufe des Prozesses auch Komm mit! eingeladen hatte. Er war anwesend und erhielt einen Gutschein für das Weiße Ross in Röslau. Zwei weitere Preise – zwei Jahreskarten für das Erika-Fuchs-Haus und eine Eintrittskarte für das Siebenquell GesundZeitResort – werden postalisch an die Gewinner verschickt.
Ziel des Digitalen Entwicklungskonzepts
Wir berichteten zwar mehrfach, blicken aber noch einmal auf den Sinn und Zweck eines solchen Konzeptes. Mit dem Modellprojekt „Smart Cities Smart Regions – Kommunale Digitalisierungsstrategien für Städtebau und Mobilität der Zukunft“ erhielten Städte und Gemeinden in ganz Bayern bei der Erarbeitung von integrierten digital-städtebaulichen Entwicklungskonzepten Unterstützung. Auf diesem Modellprojekt aufbauend, sollen die Erfahrungen aus der Entwicklung von individuellen räumlichen Digitalisierungsstrategien nun bayernweit genutzt werden.
Dafür wurde ein IDEK-Leitfaden entwickelt, der Schritt für Schritt übertragbare und praxistaugliche Lösungsansätze für die Nutzung von Digitalisierungspotenzialen in räumlichen Entwicklungskonzepten aufzeigt. Das soll den Weg in die digitale Stadt, die Gemeinde oder den Gemeindeverbund der Zukunft ebnen.
Was ist ein IDEK?
“Integriertes Digitales Entwicklungskonzept” ist für den einen oder die andere vielleicht zunächst ein sperriger, schlecht zu greifender Begriff. Das IDEK ist ein neues Planungsinstrument, das die bewährten Handlungsfelder des integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK), um das Handlungsfeld Digitalisierung ergänzt. Das bringt ganz neue Möglichkeiten für die räumliche Planung mit sich.
Das IDEK richtet sich dabei am etablierten und bekannten ISEK Prozess aus, berücksichtigt allerdings Digitalisierung als ein zusätzliches Handlungsfeld und als übergeordnetes Thema durchgängig mit. Die ISEK-Prozessschritte werden also erweitert, indem man bewusst zwischen dem Einsatz digitaler oder analoger Mittel entscheidet. So wird sichergestellt, dass digitale Lösungen nicht als Selbstzweck, sondern als bestmögliche Lösung für die Umsetzung der IDEK-Ziele gewählt werden. Soweit die Theorie.
Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft
Die digitale Transformation beschreibt einen gesamtgesellschaftlichen und grundsätzlichen Wandel, der schon heute viele Lebensbereiche nachhaltig prägt. Künstliche Intelligenz (KI), sogenannte Smart Devices, die Zugriff auf das Internet haben, und das Internet of Things, bei dem Geräte über eine Internetverbindung eigenständig miteinander kommunizieren können, sind nur einige Beispiele dafür, wie weitreichend der Einfluss von Digitalisierung auf Wirtschaft und Gesellschaft ist. Das alles macht nicht halt vor Stadt- oder Landkreisgrenzen.
IDEK ist die Eintrittskarte
Anhand eines Leitfadens erarbeiteten die Kommunen gemeinsam mit den Planern (berchtoldkrass, bauchplan), (orangeedge, Ubilabs) und Beteiligung der NöFi-Bewohner das IDEK für das Nördliche Fichtelgebirge. Letztendlich ist das beschlossene IDEK eine Eintrittskarte − um es salopp auszudrücken −, eine Eintrittskarte in den „Club derer, die Fördermittel beantragen dürfen“ und darauf lege die Regierung von Oberfranken großen Wert, wie Dr. Antonella Sgobba und Timo Luitz (Regierung Oberfranken) in ihrem Beitrag „Das IDEK als wichtige Förderkulisse“ hervorhoben. „Sie hören hier nicht auf. Es beginnt ja erst!“, sagte auch Imke Mumm und wünschte allen viel Erfolg beim Ernten der Früchte.
Sechs Maßnahmenpakete im Fokus
„Jedes IDEK ist anders, das macht es auch für uns Planer spannend!“
Prof. Dr. Martin Berchtold
Planungsbüro berchtoldkrass
Alle durchlaufenen Phasen von Bestandsaufnahme über die von allen sehr gelobte Zukunftswerkstatt bis hin zur Erstellung eines Maßnahmen und Finanzierungskonzeptes, wurden vorgestellt. Herausgearbeitet wurden Kooperationsmöglichkeiten und Konzepte für etwas, was noch gar nicht so recht zusammengehört, nach Berchtold eine „Wunsch- und Zweckehe mit Seitensprüngen“.
Das Büro Ubilabs hatte sich mit Karten und Daten auseinandergesetzt – vielleicht an dieser Stelle nur eine Frage, die bei mir hängen blieb: „Was tun bei Ladeweile (die Pause, die beim Laden des E‑Autos entsteht)?“ Ladeweile ist ein Effekt, der durch die E‑Mobilität entsteht – es braucht plötzlich eine Aufenthaltsqualität an Orten, die vorher gar nicht da war. Bundesweit profitiert die Gastronomie an vielen kleinen Orten plötzlich von den E‑Autofahrern, warum nicht auch das NöFi?
Der Blick der Planer von außen zeigte Abhängigkeiten und Systeme, die über das Konstrukt NöFi hinausgehen, aber dennoch berücksichtigt werden sollten: zwei Landkreise, die Nähe zu Tschechien, Thüringen, Sachsen, grenzüberschreitende Waldgebiete und Flüsse. Landschaft, Bewegen, Leben, Wirtschaft sind die Schlagworte, mit denen man künftig weiterdenken möchte und auch schon, so Kaltenbach „einen Riesen Ideenpool erarbeitet hat“. Das Gute an einer interkommunalen Zusammenarbeit sei, dass man immer wieder neue Allianzen gründen könne, bei Themen, die verbinden. Sechs digitale Maßnahmenpakete wurden bereits geschnürt.
Die vorgeschlagenen Maßnahmenpakete
Einige Beispiele in Klammern.
- Die „digitale Befähigung“: Personifizierung des digitalen Know-hows (Einstellung von Digitallotsen, Digitalschulung für Verwaltung, …)
- Das digitale Informationsmanagement (Ratsinformationssystem, Buchungssystem Tourismus, zentrale kommunale Datenbank, …)
- Die Digitalisierung der Fläche (smarte Kommune, Klimawald, …)
- Die Digitalisierung der Ortskerne und Bahnhofsumfelder (Coworking-Modelle in Ortskernen, Ausbau Mobilitätsangebote, …)
- Das Sichtbarmachen der Digitalisierung: Digitalisierung im Kleinen (smarte Solarsitzbank, nette Toilette, …)
- Die digitalen Angebote für Bürger (Digitalisierung und Ausbau Fernradwege, Weiterentwicklung und Nutzung der FichtelApp, …)
Der Beschluss
Das Konzept, und da sind wir wieder am Anfang unseres Beitrags, wurde in Marktleuthen vorgestellt und mit einem dreiteiligen Beschlussvorschlag zur Abstimmung gebracht. Normalerweise darf ein Gemeinde- oder Stadtratsgremium nur in einem Ausnahmefall außerhalb seiner kommunalen Grenzen Beschlüsse fassen, deshalb wurde die Kommunalaufsicht im Landratsamt Wunsiedel i. Fichtelgebirge mit einbezogen.
Bestimmte Rahmenbedingungen mussten erfüllt sein, wie z.B., dass jeder Bürger die Stadthalle erreichen konnte. Vor der Abstimmung gab es Raum für Rückfragen und Diskussion. Acht Einzelbeschlüsse – und das hatte wirklich einen sehr feierlichen Charakter − wurden in der Stadthalle vorgenommen, das IDEK in jedem Fall ohne Gegenstimme angenommen, für Zell meldete Bgm. Horst Penzel „keine Beschlussfähigkeit“. Der Beschluss wird nachgeholt. Der gemeinsame Beschluss war noch nicht mit Kosten für die Kommunen verbunden, erst einzelne Maßnahmen verursachen dann Kosten, die die jeweiligen kommunalen Gremien durchlaufen müssen.
Ideen konkret werden lassen
Nach dem Abstimmungsprozedere stellte sich das Stadtumbaumanagement (SUM) mit den Büros DSK & Planwerk als Dienstleister für alle Gemeinden vor und beschrieb, wie und wo das SUM die Kommunen unterstützen kann.
„Wir wollen Ideen konkret werden lassen!“
Maximilian Stöhr
Mitarbeiter bei Büro PLANWERK
Der Beschluss ist eine Grundlage, Stöhr fragte: „Wie geht es mit dem IDEK weiter? Welche Maßnahmen wollen wir umsetzen?“ – Gut zu wissen: Maßnahmen, die sich aus dem IDEK ableiten lassen, sind zu 80 Prozent förderfähig!
Zum Schluss der Veranstaltung wurde es dann konsequenterweise digital: „Wie wichtig sind Ihnen die folgenden Maßnahmen aus dem IDEK?“, fragte PLANWERK und per eingeblendetem QR-Code ging es dann auch gleich zur Umfrage, an der die Mehrzahl – mehr als 80 – der Anwesenden teilnahm. Mit „Danke, dass Sie in unsere schöne Egerstadt gekommen sind!“, verabschiedete Sabrina Kaestner die Anwesenden und lud noch zum Imbiss und Austausch ins Foyer der Stadthalle ein.